Insektenschonend Mähen – aber wie?

Das Team der BiodivKultur lud am 19. und 20. September zu einer spannenden Tagung nach Darmstadt
Auf der Tagung in Darmstadt waren namhafte Refrenten und diskutierten das Thema Mahd kontrovers.

https://biodivkultur.de/mahdworkshop/

Die Vorträge:

BIODIVKULTUR & TU DARMSTADT: PROF. DR. NICO BLÜTHGEN

„Je höher die Vegetation, desto mehr Individuen“

Prof. Dr. Nico Blüthgen ist Projektleiter des Projekts BioDivKultur und hielt an beiden Workshoptagen einleitende Vorträge über den Insektenrückgang, zeigte eigene wissenschaftliche Ergebnisse und den Einfluss der Mahd auf Insekten. Zu Beginn seiner Vorträge zeigte er die faszinierende Vielfalt der Insekten anhand seiner eigenen Makroaufnahmen, die er regelmäßig auf iNaturalist hochlädt. Auch erklärte Nico Blüthgen, dass der Einfluss der Mahd unterschiedlich auf Wiesenbewohner (Bsp. Heuschrecke) als auf Wiesenbesucher (Bsp. Bestäuber wie Schmetterlinge) wirkt. Am zweiten Mahworkshoptag gab Nico Blüthgen einen Hinweis auf die Studie Seibold et al. (2019) zum Rückgang von Insekten und dem Zusammenhang zur Landnutzungsintensität (https://doi.org/10.1038/s41586-019-1684-3). Neben dem nachgewiesenen Rückgang von Arten und Individuen der Insekten zeigte sich auch, dass die Präsenz von viel Ackerfläche einen noch stärkeren negativen Einfluss auf die Grünlandbewohner hatte. Die Ergebnisse bieten Handlungsmöglichkeiten, z.B. die Landschaft als Ganzes mit Randstrukturen zu begreifen.

MERKLE & PARTNER: MONA UND DR. SIEGBERT MERKLE:
„53% MEHR PFLANZENARTEN DURCH EINBRINGEN VON BLÜHENDEN PFLANZEN UND STREIFENMAHD“

Mona Merkle und Dr. Siegbert Merkle stellten das Biodiversitätskonzept der eigenen Firma vor. Siegbert Merkle wies eindringlich auf die Schädlichkeit von Mulchern hin und stellte Praxisberichte zu ihrer Betreuung von Kommunen bei der Grünflächenpflege vor. Das Unternehmen betreut mit eigenen Pflegetrupps 70 Hektar in insgesamt 11 Kommunen. Hierbei versuchen sie eine biodiversitätsschonende Mahd zu etablieren. Laut Dr. Siegbert Merkle mangelt es nicht an Konzepten, Wissen oder guten Ideen innerhalb der Kommunen, sondern an der Umsetzung. Hier fehlen Kapazitäten oder auch das richtige Gerät.

GRÜNFLÄCHENAMT DER WISSENSCHAFTSTADT DARMSTADT: ANKE BOSCH

„Schlegelmäher sind sinnvoll gegen Brombeeren und Rubinen“

Anke Bosch ist die Leiterin des Grünflächenamtes der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Sie berichtete umfassend aus der Praxis. Dabei baute sie auf die offenen Ohren und das Interesse ihrer Mitarbeiter:innen und erzählte von der Umstellung zu insektenschonender Mahd. Die Stadt will immer mehr Flächen extensivieren und tut es bereits, dabei müssen aber viele weitere Aspekte bei der Umsetzung beachtet werden: Akzeptanz der Bürger:innen (Teilextensivierung durch Bankette/Akzeptanzstreifen), Lösungsfindung für das übrige Schnittgut, Zeitaufwand (z.B. Wartung des Balkenmähers), Firmenvergabe etc.

BAUVEREIN AG: YVONNE GAUFF

Die ungemähten Flächen führten bei den Mieter:innen nie zu Beschwerden.

Wohnungsgesellschaften haben viele Grünflächen in ihrer Hand. Yvonne Gauff berichtete aus Praxisprojekten, die die bauverein AG in Darmstadt zur Förderung der Biodiversität durchführt. Dabei war die Optik der Flächen für die Mieter:innen nie ein Beschwerdethema. Ein besonderes Erfolgsprojekt ist die Extensivierung der Flächen bei der Postsiedlung e.V. in Darmstadt (https://www.postsiedlung.de/projekte/). Hier wird versucht, eine  Balance zwischen Wiesenflächen und einem ordentlichen, gepflegten Bild in Grünflächen zu bekommen. Das Projekt von 2020 zeichnet sich als voller Erfolg ab: die Wiese bleibt, es wurde umfangreich kommuniziert und es war ein schöner, positiver Auftakt für mehr biodiverse Flächen der bauverein AG.

DR. MATTHIAS NUSS: „STRUKTURVIELFALT SCHAFFT INSEKTENVIELFALT, BESONDERS AUCH DURCH BEWEIDUNG“

Dr. Matthias Nuß ist Schmetterlingsspezialist und am Senckenberg Institut in Dresden tätig. Er hielt zwei spannende  Vorträge an den beiden Workshoptagen zum Thema insektenschonende Mahd und Altgrasstreifen als Schutzmaßnahme. „Strukturvielfalt schafft Insektenvielfalt, besonders auch durch Beweidung“, berichtete Dr. Matthias Nuß zum Schmetterlingswiesenprojekt in Sachsen. Eine simple und effektive erste Maßnahme kann sein, 30% Altgrasstreifen auch über den Winter stehen zu lassen. Weiterhin plädierte er für eine frühe Mahd. Eine weitere interessante Information gab es am zweiten Tag: Der Schmetterling Braunkolbige Braundickkopf hieß früher Kornfüchschen. Der frühere Name zeichnet ein anderes Bild. Hier geht nicht nur Lebensraum, sondern auch Wissen über Arten von einer zur anderen Generation verloren.

DR. PHILIPP UNTERWEGER: „SINNESWANDEL STATT SAMENHANDEL“

Dr. Philipp Unterweger ist Biodiversiätsplaner und -berater. Er hielt zwei spannende Vorträge an beiden Workshoptagen und stellte dabei unter anderem das „Mahdkonzept nach Unterweger“ vor. Unter dem Motto „Vielfalt ist für Vielfalt wichtig“ geht es bei ihm nicht nur um die Mahd allein, sondern auch um Allmende-Strukturen in der Stadt. Er plädierte für: „Sinneswandel statt Samenhandel“. Am zweiten Workshoptag zur landwirtschaftlichen Mahd entstand eine rege Diskussion um Dr. Philipp Unterwegers Beispiel und Schlussfolgerung: Mahd, Wenden, Schwaden, und Verladen bedeutet ca. 69 Tonnen Fuhrparkgewicht auf der Wiese. Früher waren es im Gegensatz nur zwei Pferde. Er plädiert für eine ehrliche zeitgenössische Transformation: “reduzieren, ökologisieren, kompensieren”.

ALNATURA: ANKE PAVLICEK
Das Firmengelände soll ein stadtnaher Raum für Mensch und Natur sein

Anke Pavlicek berichtete über die Grünflächen rund um die Alnatura Zentrale Darmstadt und die Herausforderungen bei einem großen Firmengelände. Das Gelände hat das Ziel, ein stadtnaher Raum für Mensch und Natur zu sein. Die Alnatura Zentrale hat deshalb ein kulturelles, soziales, ökologisches (Gebäude, Regenwassernutzung, Baustoffe, artenreiches Außengelände, …) und ökonomisches (sparsam und einfach gebaut) Konzept. Unter anderem gibt es hier einen Gebrauchsrasen rund um das  Gebäude, eine Wildblumenwiese (1-mal im Jahr gemäht) und eine extensive Magerwiesen ohne Mahd, Naturraum für Zauneidechsen, Wildinsekten und seltene Trockenrasenpflanzen (keine Mahd).

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