Vater und Sohn Projekt

Ein Generationenprojekt von Vater und Sohn

Wolf-Dietmar Unterweger (Jahrgang 1944) wächst in einem kleinen oberschwäbischen Dorf auf. Nachdem er, sein Bruder und seine Mutter durch die Kriegswirren Dresden verlassen mussten, ist die Familie im Heimatdorf seines Vaters und auf dem Hof seines Onkels untergekommen. Ein unvorstellbares Glück im Nachkriegsdeutschland. Am eigenen Leib erfährt er beides, die unbeschwerte Landkindheit und die Vorbehalte des eingeschworenen Dorflebens gegenüber der Neuankömmlinge. Sächsischer Mohnkuchen und Dresdner Stollen treffen hier knallhart auf Spätzle und Hefezopf. Das Schwein im Verschlag und die Stallhasen hinter dem „Flüchtlingshaus“ stehen vermeindlich im Schatten der Rösser und Kuhherden der etablierten Bauern.

Die Kindheit prägt. Das Hüten der Kühe, das Leben auf dem Bauernhof und die damit verbundenen Geschichten und Erlebnisse. Nicht zu vergessen die Geräusche und Naturempfindungen.

Ein Filmbeitrag: Tiere auf dem Land – Erinnerungen an das Dorfleben im Südwesten
https://swrmediathek.de/player.htm?show=89edb360-c650-11e8-8c05-005056a10824&fbclid=IwAR3tlv6h2j33P4yOi0aFjDJAQsworbFLS9QxFiFh2R9aKSZfyN8E6LeSg4E

Die landwirtschaftliche Industrialisierung und der Strukturwandel beenden diese Phase der agrarromantischen Kindheit. Die Erinnerungen und die Sehnsüchte bleiben.

Philipp Unterweger (Jahrgang 1986) wächst im Nachbardorf auf. Eine Dorfkindheit der 90er prägt ihn. Im Wald entstehen Hütten und Burgen, das Maisfeld wird für ausgedehnte Streifzüge benutzt und es ist fast alles möglich. 
Matsch und Schlamm sind feste Bestandteile des täglichen Lebens und der Gartenschlauch die letzte Rettung am Abend. Während sich die ersten Eltern beschweren und infolge dessen die Spielkameraden immer knapper werden prägen Omas Hühner und der ein oder andere verirrte Frosch diese Phase des Lebens. 

Echte Bauern retten die Welt – ein Generationenprojekt.

Es gibt verschiedene Wege um Vermisstes zu finden oder Sehnsüchte zu erfüllen. Reisen ist einer davon. Die Suche nach den verlorenen Eindrücken, Erlebnissen, Empfindungen und Abenteuern lässt sich auf Reisen recht gut durchführen. So war der VW-Campingbus die erste Wahl und ein unermüdlicher Begleiter. Wenn Vater, Mutter und Sohn Europa bereisten so waren weiße Straßen die Hauptreisewege. Von Dorf zu Dorf wurden die Länder erkundet immer auf der Suche nach den letzten Spuren einer vorindustriellen bäuerlichen Welt.

Mein Vater suchte nach seiner verlorenen Kindheit, nach der Agrarromantik der frühen Erinnerungen.

Im Rückwärtsgang ging es stets nur vorwärts

Der Rückwärtsgang war dabei der Schlüssel zum Erfolg. Jedes Foto konnte nur gemacht werden, weil wir den Rückwärtsgang einlegten und sowohl mit dem Auto, als auch mit dem Auge zurücksetzten und in dem das Gute suchen, was hinter uns lag. 

Zunächst im Kindersitz, dann mit eigener Lektüe und später mit der eigenen Kamera begleitete ich meine Eltern auf diesen Reisen. Nachdem wir über 30 Jahre durch ganz Europa gereist sind und die Spuren einer vorindustriellen Bauernkultur gesucht haben, entbrannte in uns die Idee zu diesem gemeinsamen Buch.

Aus 400000 Bilden haben wir die eindrücklichsten herausgearbeitet, akribisch die Literatur der letzten 20 Jahre durchgearbeitet und aus diesem schier unendlichen und sehr emotionalen Bildkorpus ein Buch gestrickt, dass alle modernen Diskurse und die zeitgenössischen Debatten einflicht in eine Bildwelt, in der wir Lösungsideen für die Zukunft sehen.

Welten treffen aufeinander und schaffen neue Realitäten

Das war schwierig, denn zwei Generationen prallten mit unterschiedlichen Erinnerungen aufeinander. Die „shifting-baseline“ wurde zum real erfahrbaren Element einer Debatte. Während ich mich schon über kleine Ställe freute, aus denen eine Kuh schaute, war mein Vater erst begeistert, wenn er dutzende Schwalbennester sah und erahnen konnte, dass Laubfrösche auf der feuchten Wiese hinter der Kirche keckerten. 

Der Verlust, den ich in den letzten 30 Jahren erlebte, war viel geringer, als das was in den letzten 60 Jahren tatsächlich verloren gegangen ist. Wiesen, die ich als bunt bewunderte waren farblos in den Augen meines Vater. Der Jubel beim Entdecken eines Rebhuhns verstummte bei der Erzählung von den Ketten dutzender dieser Tiere.

Die „Shifting-base-line“ zeigt den Unterschied dessen, was man durch die Erfahrungen und Eindrücke seiner Kindheit selbst als wahr und richtig empfindet, und den daraus resultierende Bruch mit anderen, die eine andere Nulllinie haben. Diese empfundene Wahrheit ist ein Probem des Schützens und Nützens der Natur. Es führt zum Missverstehen und zum Nichtverstehen der Idealvorstellungen des anderen. 

Dieses Buch konnte ich nur schreiben, weil ich in meinem Studium viele Länder Osteuropas bereist habe. Von Polen bis zum Balkan. Hier wurde mir klar, was die Kommunikation zwischen Generationen erschwert. Hier zeigte sich, wie Missverständnisse entstehen. Es zeigte sich, von welcher Welt mein Vater träumt und in welcher ich geprägt wurde.

In diesem Diskurs lernten wir, was es bedeutet von Schönheit, Nützlichkeit und Lösungsideen zu sprechen, wenn man dieWelt und den Kontext des anderen nicht kennt.
 
 
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